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16. Januar 2021

Nun, es ist genau so geschehen, wie es zu erwarten war. Bereits bei diesem allerersten Artikel scheitert jämmerlich das insgeheime Vorhaben einer systematischen Einteilung der Texte in Themenkategorien. Die Erstellung einer Leiterplatte ist natürlich am ehesten im Bereich der Elektrotechnik anzusiedeln, aber was da gerade im Kopf zu kreisen beginnt, wird sicher gleich chemisch ausarten. Hoffnungsfroh, weil sich wieder einmal bestätigt hat, dass sich die Welt nicht in Kategorien einteilen lässt, kann nur eines – dem ersten Artikel würdig – versichert werden: der Inhalt wird ganz bestimmt ätzend.

Alle, die sich schon einmal über das Vorhaben gewagt haben, eine Leiterplatte zu konzipieren und diese dann auch selbst hergestellt haben, werden wahrscheinlich das Gefühl kennen, wenn das Werk fertig in den eigenen Händen liegt. Es ist recht sonderbar, dass dieser Schritt erst das Empfinden der vollständige Kontrolle über die elektrischen und magnetischen Felder, die in diese feinen Bahnen gezwängt werden, entstehen lässt. Kleinste Strukturen mit den eigenen Händen zu schaffen, führt eindeutig zu großer Freude.

Das Ergebnis einer, bei einem Leiterplattenhersteller beauftragten Produktion, die im Regelfall deutlich professioneller und viel effizienter gefertigt wird, fühlt sich selbstverständlich ebenfalls gut an, aber anders. Darum kann nur geraten werden, sich einmal an ein solches Vorhaben zu wagen. Es ist im Grunde gar nicht so aufwändig und es gibt im Internet eine Vielzahl exzellenter Anleitungen, mit denen auch die ersten Versuche schon gelingen werden. Es ist daher davon auszugehen, dass es eher eine geringe Bereicherung für das Internet sein würde, hier auch noch Erfahrungen mit konkreten Arbeitsschritten zu teilen und den vielen vorhandenen Leitfäden nur noch einen weiteren mehr oder weniger äquivalenten hinzuzufügen. Aber mal schauen. Dieser Blog ist noch jung und vielleicht besteht Bedarf oder der Wunsch an einer detaillierten Ausführung.

Vielmehr war es die chemische Welt und deren Abläufe, die sich beim Warten während des Ätzvorganges der letzten Leiterplatte in Erinnerung gerufen und zu diesem Artikel geführt hat. Solche Gedanken sind eindeutig der Kaffeesud des Erstellungsprozesses und gehören damit genau hierher.

Bei der Produktion einer Leiterplatte werden in der weit überwiegenden Mehrzahl der Verfahren die nicht benötigten Stellen in einer Kupferfläche chemisch weggeätzt. Es gibt ebenso Verfahren, die das Kupfer wegfräsen, diese sollen hier aber keine weitere Rolle spielen. Das Rohmaterial besteht für gewöhnlich aus einer Trägerplatte, z.B. aus Hartpapier oder faserverstärkten Kunststoffen, auf die eine sehr dünne (üblich sind hier Größenordnungen um die 35 µm) Kupferschicht zunächst vollflächig auf die Oberfläche aufgebracht wird. Um die gewünschten Leiterbahnen in dieser Kupferschicht zu formen, wird zunächst eine schützende Schablone auf dieser dünnen Kupferfläche fixiert, die jene Stellen überdeckt, die später noch benötigt werden und jene Stellen offen freilässt, die entfernt werden müssen. Gemeinsam mit dieser schützenden Schablone wird die Kupferschicht dann einem geeigneten Ätzmittel ausgesetzt, mit dessen Hilfe das Kupfer an eben diesen noch frei zugänglichen Stellen entfernt wird. Nachdem der Ätzvorgang abgeschlossen ist, wird die Schablone entfernt und auf der Trägerplatte befinden sich nur noch die gewünschten Leiterbahnen. Üblicherweise ist der Produktionsprozess damit noch lange nicht abgeschlossen. Die Leiterplatte muss dann noch gegebenenfalls u.a. gebohrt, lackiert, beschriftet und verzinnt werden, aber im Kern ist dieser Ätzvorgang der Hauptschritt bei der funktionalen Erstellung der Leiterbahnen.

Der Umgang mit ätzenden Substanzen wird, im Allgemeinen durchaus begründet, als problematisch bzw. abschreckend angesehen. Wie generell im Leben versperrt oftmals das Unbekannte einen klaren Blick auf einen Sachverhalt. Grund genug sich diesen hochinteressanten Ätzvorgang gedanklich einmal genauer zu nähern.

Natriumpersulfat

Als Ätzmittel kommt hier beispielhaft Natriumpersulfat zum Einsatz. Ein sehr beliebtes Ätzmittel bei der Herstellung von Leiterplatten. Durchaus zu Recht. Es handelt sich hierbei um ein recht gutmütiges Ätzmittel, mit einigen sehr interessanten Eigenschaften. Natürlich gibt es auch negative Seiten, aber eins nach dem anderen.

Natriumpersulfat ist die geläufige Bezeichnung und auch der Handelsnamen für die Chemikalie Dinatriumperoxodisulfat, mit der chemischen Formel \(\ce{Na2S2O8}\) – eine also Verbindung von Natrium, Schwefel und Sauerstoff. Die Chemie hat, wie alle Wissenschaften, ihre eigene Sprache aufgebaut und das Vokabular dieser Sprachen verschließt die ihr innewohnenden Bedeutungen den Uneingeweihten. Doch auch die Chemie hält es wie Goethes Faust mit Mephistopheles, wenn er sagt: „Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen, gewöhnlich aus dem Namen lesen“ und so verrät auch hier der Name chemisch schon sehr viel über diese Substanz. Auf der einen Seite ist das Element Natrium, ein (Alkali-)Metall, und diesem gegenüber steht auf der anderen Seite augenscheinlich ein Sulfat. Ein Sulfat bezeichnet chemisch ein Salz (es könnte auch ein Ester sein, aber trifft hier nicht zu und führt zu weit) der Schwefelsäure.

Für alle, deren Chemieunterricht in der Schule schon zu lange zurück liegt, sei in Erinnerung gerufen, dass ein Salz durch eine Verbindung zwischen zwei Substanzen entsteht, die eine ionische Bindung miteinander eingehen. Ionische Bindungen werden durch verschieden gepolte elektrostatische Ladungen der Komponenten zusammengehalten. Also bei der einen Seite der Verbindung ist ein positiv geladenes Ion (Kation) und auf der anderen Seite ist ein negativ geladenes Ion (Anion). Ionische Verbindungen stellen gewöhnlich sehr stabile Verbindungen dar und formen im festen Zustand gerne regelmäßige Kristallstrukturen.

Als Sulfat wird also ein Salz der Schwefelsäure bezeichnet und ein solches beinhaltet es immer ein bestimmtes, negativ geladenes Anion, das Sulfat-Anion \(\ce{[SO4]^{2-}}\). Das hochgestellte „\(2-\)“ weisst darauf hin, dass dieses Anion zweifach negativ geladen ist. Natrium als Alkalimetall steht im Periodensystem in der ersten Hauptgruppe, also in der ersten Spalte, und ist damit grundsätzlich willig ein Elektron abzugeben. Damit das Sulfat-Anion einen ausgeglichenen Partner zu seiner zweifachen negativen Ladung bekommt, braucht es aber zwei Elektronen. Also bedarf es zwei Natrium-Atome als Gegenpol zum Sulfat-Anion. Erst dann ist die zweifache negative Ladung ausgeglichen. Im vollen Namen steht daher „Dinatrium“ und dieses „Di“ zeigt lateinisch den zweifachen Einsatz von Natrium. Chemiker*innen wissen das und sparen sich daher gerne in den Bezeichnungen das für sie in solchen Fällen recht logische „di“. Gemeinsam mit Natrium ist dieses Sulfat also dann zunächst einmal als Natriumsalz der Schwefelsäure verdächtig. Das wäre dann im ersten Schritt dieser chemischen Gedankenreise \(\ce{Na2SO4}\), also Natriumsulfat, oder eben wiederum ganz vollständig ausgeschrieben Dinatriumsulfat. Mit ergänzend dargestellter Ladung wäre das dann bis hierher bereits durchgedacht \(\ce{Na2^{+}[SO4]^{2-}}\). Die Rechnung stimmt. Zweimal Natrium, das durch Abgabe von jeweils einem Elektron positiv geladen wurde und das Sulfat, das zweifach negativ geladen ist.

Nur leider fehlt da aber noch etwas. Und dieses etwas ist das Entscheidende für den Ätzvorgang. Natriumsulfat alleine ist relativ harmlos und zum Ätzen völlig ungeeignet. Natriumsulfat hat andere, unzählbar viele Anwendungen. Vom Zusatzstoff in Waschmittel, in der Medizin als Abführmittel, bis hin zum Einsatz in der Lebensmitteltechnologie als in Nahrungsmittel zugelassener Zusatzstoff E 514. Natriumsulfat ist vielfältig brauchbar, aber um Kupfer zu entfernen, braucht es noch ein bisschen mehr.

Da ist dieses eigenartige „per“, bzw. das wiederum voll ausgeschriebene „peroxodi“, zwischen dem Natrium und dem Sulfat. Das „di“ am Ende ist hierbei bereits bekannt und naheliegend. Es steht vor dem Sulfat und weist mit Disulfat einfach wieder auf das zweimalige Vorhandensein des Sulfates, also dem Sulfat-Anion \(\ce{[SO4]^{2-}}\), hin. Wenn zwei Sulfat-Anionen im Spiel sind, also zwei Stück \(\ce{SO4}\)-Moleküle an dieser Verbindung teilnehmen, dann entsteht daraus im gesamten \(\ce{S2O8}\). Beim Vergleichen mit der bereits am Anfang dieses Kapitels genannten chemischen Formel für das Natriumpersulfat \(\ce{Na2S2O8}\) zeigt sich, dass uns dieser Gedankenweg weiter bringt. Zwei Natriumatome \(\ce{Na}\) sind als Kationen dabei und zwei Sulfat-Anionen \(\ce{SO4}\), macht in Summe \(\ce{Na2S2O8}\). Das schaut schon recht zielführend aus. Jetzt muss noch das „peroxo“-Geheimnis im Namen gelüftet werden, um dieses Molekül im Ganzen zu verstehen.

Im Allgemeinen benutzt die Chemie die Vorsilbe „per“ um vollständige organische oder anorganische Verbindungen zu benennen. Die vollständige Verbundenheit leitet sich hierbei unschwer erkennbar vom lat. Wort „per“ für „ganz“ ab. In diesem speziellen Fall deutet dieses „per“, vor allem wiederum in der voll ausgeschrieben Benennung „peroxo“, auf eine Verbindung des Sauerstoffs – Oxide sind Sauerstoffverbindungen – hin. Es liegt hier also ein sogenanntes Peroxid vor. Peroxide sind ausgesprochen spannende chemische Verbindungen, die durch eine verbindende Sauerstoffbrücke \(\ce{-O-O\bond{-}}\) im Molekül ausgezeichnet sind. Die Sauerstoffbrücke in diesem Peroxid, dem Peroxodisulfat, wird gleich in Folge stark im Fokus stehen. Grund genug, sich dieses Molekül sehr genau in dessen Aufbau anzusehen.

In der Rekapitulation des bisher geschriebenen baut sich das Peroxodisulfat nun wie folgt auf. Am Beginn stand das Sulfat-Anion \(\ce{[SO4]^{2-}}\). Sein Aufbau ist recht einfach. Die geometrische Struktur gleicht jener eines Tetraeders. Im Zentrum des Tetraeders liegt das Schwefelatom und dieses wird von den vier Sauerstoffatomen umringt, die vier regelmäßige Eckpunkte bilden. Die Abstände aller Sauerstoffatome zum Schwefelatom und auch untereinander sind ident.

Abb. 1: Geometrischer Aufbau von Sulfat
Abb. 2: Strukturformel von Sulfat

Abb. 1 zeigt den dreidimensionale Aufbau des Sulfates modellhaft. Alle Sauerstoffatome gehen eine Bindung mit dem Schwefel ein. Untereinander binden sich die Sauerstoffatome jedoch nicht aneinander. Die dünnen Linien sollen nur die Tetraederform skizzieren. Aussagekräftiger, aber weniger plastisch, ist die chemische Strukturformel des Sulfates, die in Abb. 2 zu sehen ist. Diese enthält jedoch einiges mehr an Informationen. Zu sehen ist, dass zwei Sauerstoffatome eine Doppelbindung mit dem Schwefel eingehen, d.h. sie teilen sich stets zwei Elektronen und sind durch diesen Doppelaustausch zweifach aneinander gebunden. Dies ist üblicherweise die von beiden Seiten angestrebte Bindungsart zwischen Sauerstoff und Schwefel. Zwei Sauerstoffatome teilen sich jedoch nur ein Elektron mit Schwefel und gehen nur eine Einfachbindung ein. Der Grund hierfür ist, dass diese beiden Sauerstoffatome schon mit einem extern ins Spiel gekommenen Elektron versorgt wurden. (Im gegenständlichen Fall waren es z.B. bekannterweise die Natriumatome, die bereitwillig jeweils ein Elektron gespendet haben.) Da die beiden Sauerstoffatome sich nun bereits ein externes Elektron einverleibt haben, können Sie sich nur noch eine Einfachbindung, also ein geteiltes Elektron, mit Schwefel eingehen. Die Strukturformel zeigt mit den Einfach- und Doppellinien diese Verbindungsarten. Das kleine eingekreiste Minus bei den beiden Sauerstoffatomen mit der Einfachbindung symbolisiert das einverleibte, zusätzliche Elektron und damit eine zusätzliche negative Ladung. Die eckige Klammer um die Darstellung mit der hochgestellten Ladungsangabe, erinnert daran, dass dieses Molekül nach außen dann dadurch in Summe zweifach negativ geladen ist.

Nun wird dieser Aufbau um den Gedanken an das Disulfat erweitert. Damit kommen einfach zunächst einmal nur zwei dieser Sulfat-Anionen ins Spiel, die vorerst einmal noch nicht miteinander verbunden sind. Die Drehung des rechten Sulfates in Abb. 3 braucht nicht zu stören. Ein Tetraeder kann im Raum beliebig liegen und bleibt dennoch im Aufbau ident. So liegt er jedoch bereits in der richtigen Lage, wie er gleich in Folge gebraucht wird.

Abb. 3: Zwei Sulfat-Anionen

Als Peroxid muss nämlich noch die Sauerstoffbrücke \(\ce{-O-O\bond{-}}\) eingebaut werden. Bei der Herstellung von Peroxodisulfat tauschen die beiden an der Verbindung teilnehmenden \(\ce{SO4}\)-Partner jeweils bei einem Sauerstoffatom, das ansonsten mit einem zusätzlichen Elektron von außen versorgt würde, jeweils stattdessen ein Elektron untereinander aus. Dadurch entsteht eine zusätzliche Bindung bei diesen Sauerstoffatomen und auch diese haben dann zwei Bindungen. Keine Doppelbindung, aber dafür zwei Einfachbindungen. Aus dem bisher betrachteten Sulfat-Anion ist ein Peroxodisulfat-Anion geworden. Das Anion eines Salzes der Peroxodischwefelsäure.

Abb. 4: Peroxodisulfat

Nach außen ist dieses Molekül im Ganzen wieder zweifach negativ geladen. Zwei Sauerstoffatome sind im gesamten Konstrukt mit zusätzlichem externen Elektron wieder vorhanden. Die genaue Herstellung von Peroxodisulfat wäre eine eigene Geschichte, denn zwei Sulfat-Anionen \(\ce{[SO4]^{2-}}\) würden nicht von alleine bei einfachem Aufeinandertreffen diese Sauerstoffbrücke \(\ce{-O-O\bond{-}}\) herstellen. Sie hätten ja auch zwei Elektronen zu viel, die sie bereits als Sulfat-Anionen aufgenommen hätten und irgendwohin wieder abgeben müssten. Der Werdegang über zwei Sulfat-Anionen \(\ce{[SO4]^{2-}}\) soll hier nur bildhaft die Zusammensetzung anschaulich konstruieren.

Modellhaft darf dieses Peroxodisulfat \(\ce{[S2O8]^{2-}}\) auch hantelförmig vorgestellt werden. Zwei Tetraeder werden an zwei Eckpunkten durch diese Sauerstoffbrücke \(\ce{-O-O\bond{-}}\) miteinander verbunden. Wie zwei Gewichte, verbunden durch eine dünne Stange. Und darin liegt auch das Spannende an dieser Sauerstoffbrücke als Verbindung, nämlich dass diese deutlich schwächer ist, als die beiden Molekülenden. In den beiden Endteilen bindet der zentrale Schwefel die ihn direkt umgebenden Sauerstoffatome sehr stark an sich. Diese Stabilität kann die einfache Sauerstoffbrücke nicht aufweisen. Die Stärke einer Verbindung hängt chemisch von mehreren Faktoren ab. Einfluss haben die mittlere Entfernung der an der Verbindung teilnehmenden Atome, die Art der Bindung (Einfachbindung oder Mehrfachbindung) und ob die Bindung polar oder unpolar ist, also ob verschiedene Ladungen an der Verbindung mitwirken. Die resultierende Stärke kann dann zum Teil experimentell erhoben, oder rechnerisch abgeschätzt werden.

Abb. 5: Sauerstoffbrücke des Peroxodisulfats

Nun konnte ermittelt werden, dass zwischen den beiden Sauerstoffatomen, die gemeinsam diese Brücke bilden, ein ungefährer Abstand von 148 pm (Pikometer, d.h. \(10^{-12}\) Meter) besteht. Was sich hier ausgesprochen klein anhört und in alltäglichen Maßstäben auch unheimlich winzig ist, ist in der Welt des Sauerstoffs mit seiner Einfachbindung und ohne zusätzlicher Ladung eine recht deutliche Distanz. Dies hat zur Folge, dass diese filigrane Sauerstoffbrücke durchaus zum Brechen neigt, wenn auf sie eingewirkt wird. Genau braucht es eine mittlere Energieeinwirkung von rund \(146\) kJ (Kilojoule, Joule ist die Einheit der Energie) um die Menge von einem Mol (das Mol bezeichnet eine Stoffmenge und besteht immer aus \(6.02214076 \times 10^{23}\) Teilchen) dieser Moleküle zum Brechen zu bringen.

Diese Art des Brechen wird in der Chemie als „homolytische Spaltung“ bezeichnet. Äußere Einflüsse führen hierbei zur Spaltung, einer sogenannten „Dissoziation“, einer derartigen Verbindung in zwei Teile. Die beiden an der Verbindung beteiligten Elektronen werden auf die beiden Bruchstücke aufgeteilt, d.h. zur homolytischen Spaltung bedarf es einer Elektronenpaarbindung, wie sie hier zwischen den beiden Sauerstoffatomen vorliegt.

Abb. 6: Homolytische Spaltung von Peroxodisulfat

Bevor auf die benötigte Energiezufuhr und auf die Konsequenzen dieser Spaltung genauer eingegangen wird, ein paar Bemerkungen vorab. In Abb. 6 ist die homolytische Spaltung von Peroxodisulfat anschaulich dargestellt. Die Sauerstoffbrücke bricht und die beiden an dieser Verbindung beteiligten Elektronen der Sauerstoffatome fallen wieder zurück an die beiden Atome. Diese Elektronen sind aber völlig anders zu bewerten, als die von der ionischen Verbindung geborgten Elektronen und werden daher auch anders dargestellt. Das ionische Elektron, dargestellt durch das eingekreiste Minus, bei einem Sauerstoffatom, wurde ursprünglich von einem externen Atom, im gegenständlichen Fall natürlich vom Natrium, übernommen, vervollständig die Elektronenaffinität des Sauerstoffs und macht dieses zum Ion. Nach außen hin ist dieses Elektron dafür verantwortlich, dass das Molekül als Ganzes negativ geladen wird. Auf der anderen Seite hat das Natriumatom dieses Elektron abgegeben und wurde dadurch zu einem positiv geladenen Ion. Somit wurden Ladungen ausgetauscht, eine ionische Verbindung eingegangen und damit ein stabiler Zustand erreicht.

Durch den Bruch der homolytische Spaltung werden jedoch die beiden beteiligten Elektronen der Sauerstoffatome aus einer vorhandenen Verbindung entlassen und werden damit wieder frei für neue Bindungen. Und eine solche Bindung wird dann relativ aggressiv gesucht. Ein sogenanntes „Radikal“ ist entstanden und radikal ist es durchaus bei der Partnersuche. Dieses Elektron, das nach außen hin wieder einen Partner zum Verbinden sucht, wird nur durch einen Punkt dargestellt. Die Spaltung hinterlässt also zwar zwei Sulfat-Anionen \(\ce{[SO4]^{.-}}\), allerdings mit einem Elektron als negativen Ladung und einem freien Elektron, auf aggressiver Bindungssuche für eine Elektronenpaarbindung. Es entstehen zwei sehr bindungswillige Radikale und dies ist der Kern der ätzenden Eigenschaft, der gleich genauer beleuchtet wird.

Als Randnotiz interessant, dürfte möglicherweise auch das Dreieck, das Delta, über den Reaktionspfeil in Abb. 6 sein. Es symbolisiert in der Chemie allgemein eine Wärme- oder Energiezufuhr, damit eine Reaktion ermöglicht wird. Es beschreibt damit eine Hinzugabe, bzw. einen Unterschied. Das \(\Delta\) dürfte hier fast noch in seiner ursprünglichen Bedeutung aus der Alchemie kommend stehen, in der das \(\Delta\) für das Element des Feuers, der Flamme steht. Aus dieser alchemistischen Symbolik heraus, hat sich dann das \(\Delta\) bis in die Mathematik als Symbol für die Differenz entwickelt.

Das erste Zwischenresümee ist aber nun, dass Natriumpersulfat \(\ce{Na2S2O8}\) in dessen Struktur, soweit für das Folgende notwendig, entschlüsselt wurde. Die Ionenbindung zwischen Natrium und Peroxodisulfat war jetzt einige Zeit weniger relevant und wurde daher in den Darstellungen fallen gelassen. Darum soll einmal die Struktur des ganzen Salzes in deren vollen Pracht skizziert werden.

Abb. 7: Strukturformel von Natriumpersulfat

Im ungelösten Zustand bildet dieses Salz eine feste Kristallstruktur. Zumeist wird es als weißes Pulver oder Granulat gehandelt. Im reinen Zustand und ungelöst ist Natriumpersulfat an sich gut lagerfähig und eigentlich recht unproblematisch. Obwohl jetzt schon bereits Kenntnis ob der Instabilität der Sauerstoffbrücke vorhanden ist, die durch Energiezufuhr, wie z.B. durch Wärme, brechen kann, fehlen den dadurch entstehenden Radikalen im kristallinen Verband andere Bindungspartner, sodass eine zerbrochene Verbindung wieder hergestellt wird, also eine Rekombination stattfindet. Dies ändert sich jedoch schlagartig, falls attraktivere Verbindungskandidaten ins Spiel kommen. Dann können neue Verbindungen und damit Substanzen mit völlig anderen Eigenschaften entstehen.

Sei der Blick jedoch zuvor noch einmal auf die notwendige Energiezufuhr gerichtet, um die Sauerstoffbrücke im Peroxodisulfat aufzubrechen. Eine solche homolytische Spaltung kann grundsätzlich durch Einwirkung von Wärme, dann wird von einer Thermolyse gesprochen, oder durch Einwirkung von hochfrequenten Licht, dann handelt es sich um eine Photolyse, herbeigeführt werden. In Erinnerung an den bereits oben genannten Energieaufwand von \(146 \frac{\text{kJ}}{\text{mol}}\), also jener Menge an Energie, die im Mittel für das Aufspalten von einem Mol Peroxodisulfat einwirken muss, soll zunächst einmal versucht werden, diesen Aufwand in eine fassbare Größe zu bringen.

Zuerst sollte einmal die Mol-Masse kalkuliert werden, die Gegenstand dieser Betrachtung ist. Dazu werden die mittleren Atommassen dem Periodensystem jener Elemente genommen, die in Natriumpersulfat enthalten sind. Diese Atommassen sind:

  • Mittlere Atommasse von Natrium: 22.990 u
  • Mittlere Atommasse von Schwefel: 32.067 u
  • Mittlere Atommasse von Sauerstoff: 15.999 u

Unter Berücksichtigung der Vielfachheit der vorkommenden Elemente in Natriumpersulfat \(\ce{Na2S2O8}\), ergibt das als Masse für das gesamte Molekül:

\(2 \times 22.990 \frac{\text{g}}{\text{mol}} + 2 \times 32.067 \frac{\text{g}}{\text{mol}} + 8 \times 15.999 \frac{\text{g}}{\text{mol}} = 238.106 \frac{\text{g}}{\text{mol}}\)

Also wiegt ein Mol Natriumpersulfat damit 238.106 g. Oder anders ausgedrückt: in 238.106 g Natriumpersulfat befinden sich \(6.02214076 \times 10^{23}\) Moleküle. Das ist als Masse nicht weit weg von einem viertel Kilogramm und ist aus der Alltagserfahrung ausgezeichnet vorstellbar.

Diese Menge des Salzes zerfällt also, wenn auf die Summe aller Sauerstoffbrücken eine Energie von durchschnittlich 146 kJ einwirkt. Also muss im zweiten Gedankenschritt diese Größenordnung greifbar werden. Dieser Sachverhalt ist leider deutlich komplizierter als die Berechnung der Mol-Masse. Freilich können 146 kJ problemlos als Energiemenge anschaulich dargestellt werden, nur muss diese Energiemenge genau auf, und ausschließlich auf, diese Sauerstoffbrücken wirken und nicht abseits davon auf irgendetwas anderes. Ein Joule Energie ist die Menge an Energie, die notwendig ist um z.B. ein Gramm Wasser um ca. 0.239°C zu erwärmen. Überschlagsmäßig kann also mit der Wärmeenergie von 146 kJ ungefähr 1 Liter Wasser um Temperatur um fast 35°C erhöht werden. Das ist zwar wiederum gut greifbar, aber diese Darstellung bringt eher wenig und ist irreführend. Diese Wärmeenergie wird dem gesamten Wasser, mit allen sich darin befindlichen \(\ce{H2O}\)-Molekülen und damit auch allen darin vorhandenen Verbindungen gemeinsam zugeführt. Auch die Annahme der völlig gleichmäßigen Verteilung dieser Wärmeenergie auf alle Moleküle, Atome und deren Verbindungen, wäre eine mehr als gewagte Vereinfachung. Es ist daher nicht offensichtlich, welcher genaue Anteil einer zugeführten Wärmeenergie auf eine spezifische Bindung wirkt.

Eine weitere Komplexitätsstufe kommt hinzu, da die Wärmeenergie nicht schlagartig in einem Augenblick auf einen Stoff übertragen wird, sondern im Laufe einer Zeitspanne. Während dieser Zeitspanne bauen sich die Sauerstoffbrücken kontinuierlich ab, sodass am Anfang der Energiezufuhr anteilsmäßig mehr Brücken vorhanden sind und dieser Anteil dann zurückgeht. Somit wirkt aber auch immer wenige der zugeführten Energie anteilig auf diese Brücken – auch wenn die Energiezufuhr konstant bleibt – einfach weil weniger vorhanden sind. Es liegt also ein nicht-lineares Abbauverhalten der Sauerstoffbrücken vor. Um das Ganze noch weiter zu verkomplizieren, wird auch ein Teil der zugeführten Wärmeenergie sofort wieder an die Umgebung abgegeben und darüber hinaus ist der ganze Prozess hochgradig von Druck und Volumen abhängig.

Der langen Rede kurzer Sinn ist, dass es nahezu unmöglich ist, exakt anzugeben, wie viele Radikale bei einer bestimmten Wärmezufuhr entstehen. Experimentell kann analytisch ein solcher Wert ungefähr für ganz bestimmte Bedingungen ermittelt werden. Es gibt ausgezeichnete und auch schon alte experimentelle Studien dazu, wie der hochinteressante Artikel von Anton Kailan und Eugen Leisak mit dem Titel „Die Zersetzung von Persulfaten in wässriger Lösung“ aus dem Jahre 1928.

Festgestellt werden kann, dass natürlich ein Vielfaches der reinen, eher gering wirkenden, Bindungsenergie – chemisch wird die erforderliche Energie für den Bruch einer Bindung auch Bindungsenthalpie bezeichnet – von 146 kJ pro Mol als Wärmeenergie auf den gesamten Stoff einzuwirken hat, damit tatsächlich die Sauerstoffbrücken von einem Mol Natriumpersulfat im Zuge der Thermolyse aufbrechen. Darüber hinaus findet diese Thermolyse permanent statt, da bei jeder über dem absoluten Nullpunkt liegenden Temperatur Wärmeenergie dem Stoff zugeführt wird. Je höher die Temperatur ist, desto mehr Radikale entstehen pro Zeit und desto stärker ist damit auch die Ätzwirkung in dieser Zeit. Die genaue Menge der Radikalbildung ist am besten empirisch unter den herrschenden Umgebungsparametern zu ermitteln.

Eine taugliche Ätztemperatur lässt sich also allgemein für Natriumpersulfat so nicht ableiten. Dazu braucht es noch den Gedankenschritt zu einer Lösung von Natriumpersulfat. Üblicherweise wird eine wässrige Lösung von Natriumpersulfat verwendet. Damit ändert sich jedoch die gesamte Situation schlagartig. In kristalliner Form von Natriumpersulfat rekombinieren sich die Radikale nach dem Zerfall der Sauerstoffbrücke wie bereits ausgeführt wieder und ein Gleichgewicht stellt sich bei gleichbleibenden Umgebungsbedingungen ein. Die wässrige Lösung führt zu einem anderen Verhalten.

Die Hydratation von Natriumpersulfat

Wasser ist ein starkes Lösungsmittel. Das kommt daher, da es nicht ganz so neutral ist, wie es zu sein scheint. Im Wassermolekül \(\ce{H2O}\) binden sich zwei Wasserstoffatome an ein Sauerstoffatom. Zwei sehr unterschiedliche Bindungspartner. Sie teilen sich dabei zwei Elektronen, jeweils ein Elektron von jeder Seite, also eine Elektronenpaarbindung, und gehen eine recht stabile Bindung ein. Aber das Sauerstoffatom spielt in einer gänzlich anderen Größenliga, als das sehr kleine Wasserstoffatom. Sehr vereinfacht und bildhaft gesprochen, kommt es daher dazu, dass das große Sauerstoffatom dem Gesetz des Stärkeren folgend, die geteilten Elektronen tendenziell etwas mehr zu sich zieht. Auf der Seite des Sauerstoffs entsteht so ein negative geladenes Feld, da sich hier örtlich mehr Elektronen aufhalten, als für ein neutrales Außenverhalten akzeptabel wäre. Auf der anderen Seite, auf der Seite des Wasserstoffs, rücken die geteilten Elektronen etwas von diesem ab. Auch der Wasserstoff bleibt so nicht neutral. Ein positives Feld aufgrund des örtlichen Fehlens des Elektrons entsteht. Das Wassermolekül \(\ce{H2O}\) ist ein Dipol und hat zwei Seiten, mit einer recht beachtlichen Ladungsdifferenz.

Abb. 8: Dipol Wassermolekül

Anzumerken ist, dass ein Dipol keinesfalls mit einem Ion verwechselt werden darf. Bei einem Ion ist die gesamte Ladungsbilanz eines Moleküls unausgeglichen. Das gesamte Molekül hat bei einem Ion entweder mehr, oder weniger Elektronen als Protonen im Kern und ist daher nach außen im Ganzen dementsprechend negativ oder positiv geladen. Ein Dipol wie Wasser \(\ce{H2O}\) hat im Ganzen eine ausgeglichene Ladungsbilanz, d.h. gleich viele Elektronen wie Protonen im Molekül. Durch örtliche Verschiebung dieser Elektronen im Inneren jedoch wirkt eine Seite negativ geladen und die Seite vis-à-vis dazu im gleichen Verhältnis positiv geladen. Abb. 8 zeigt schematisch das Wassermolekül, diese Ladungsverschiebung und die darauf resultierenden beiden elektrischen Ladungsfelder nach außen.

Diese elektrischen Ladungen eines solchen Dipols können nach außen starke Einflüsse auf andere Moleküle haben. Im Falle von Wasser übersteigt die elektrische Ladungen des Dipols die ionischen Bindungskräfte des Natriumpersulfates – zumindest unter Alltagsbedingungen, was Temperatur und Luftdruck betrifft.

Und so zerreißt Wasser durch seine Dipoleigenschaft den ionischen Zusammenhalt zwischen den Natrium-Kationen und den Peroxodisulfat-Anionen des Natriumpersulfats, wenn diese mit Wasser in Verbindung kommen. Wasser löst also die kristalline Struktur dieses Salzes auf. Daher löst sich Natriumpersulfat in Wasser. Wasser fungiert als Lösungsmittel.

Die beiden Ionen, das Natrium-Kation und das Peroxodisulfat-Anion, sind natürlich immer noch als Ionen von geladener Natur, also positiv bzw. negativ geladen. Die Wassermoleküle \(\ce{H2O}\) umhüllen diese Ionen aufgrund ihrer Dipoleigenschaft. Je nach Ion zeigt entweder die negative Sauerstoffseite zum Ion, oder die positive Wasserstoffseite. Beim positiv geladenen Natrium-Kation zeigen die negativen Sauerstoffseiten zum Ion und beim negativ geladenen Peroxodisulfat zeigt umgekehrt die Wassersoffseite zum Ion.

Abb. 9: Hydrathülle des Natrium-Kations
Abb. 10: Hydrathülle des Peroxodisulfat-Anions

Es entstehen Hydrathüllen um die Ionen, die diese trennen und voneinander isolieren. Das vormals durch die elektrostatischen Kräfte zusammenhängende Molekül \(\ce{Na2S2O8}\) wird durch die Lösung im Wasser in drei Teile aufgeteilt. Zwei Natrium-Ionen und ein Peroxodisulfat-Ion, alle umschlossen mit einer eigenen Hydrathülle. In chemischer Formelschreibweise wird dieser Lösungsvorgang in Wasser gerne wie folgt geschrieben. Das im Index stehende (s) beschreibt hierbei den festen (lat. solidus) Zustand und (aq) den in Wasser (lat. aqua) gelösten Zustand.

\(\ce{Na2S2O8_{(s)} -> 2 Na^{+}_{(aq)} + S2O8^{2-}_{(aq)}}\)

Erst wenn keine Wassermoleküle mehr zum Lösen, bzw. Umhüllen, vorhanden sind, ist die Lösung gesättigt und keine weiteren Moleküle des Salzes werden zersetzt.

Ohne den kristallinen Verband ist der Zerfall der Sauerstoffbrücke von Peroxodisulfat neu zu bewerten. Wie schon in Abb. 6 dargestellt zerfällt Peroxodisulfat natürlich weiterhin, auch gelöst in Wasser, unverändert bei Einwirkung von Wärmeenergie im Zuge der homolytischen Spaltung in zwei Radikale.

\(\ce{[S2O8]^{2-} ->[\Delta] [SO4]^{.-} + [SO4]^{.-}}\)

Diese beiden entstehenden Radikale finden jetzt aber im Gegensatz von vorhin einen weitaus attraktiveren Bindungspartner vor, sodass keine Rekombination zum ursprünglichen Zustand stattfinden wird. Ein Wassermolekül \(\ce{H2O}\) kommt als willkommener Partner für das Sulfat-Radikal \(\ce{[SO4]^{.-}}\) in Frage und ist nun reichlich in der nahen Umgebung durch die Hydrathüllen vorhanden. Die genaue Begründung, warum das Wassermolekül \(\ce{H2O}\) ein besser zugänglicher Partner für die Bindung ist, ist leider nicht leicht nachvollziehbar darzustellen. Grundsätzlich gehen Stoffe Verbindungen miteinander dann ein, wenn sie einen energetischen Vorteil durch einen Bindung erwirken können. Wenn es energetisch günstiger für einen Stoff ist, sich zu an einen anderen Stoff zu binden, wird eine solche Verbindung hergestellt. Wenn mehrere Kandidaten für eine Bindung zur Verfügung stehen, wird jener Partner ausgewählt, bei dem der energetische Vorteil am größten ist. Wie immer wird der größte Nutzen gesucht. Ein genauerer Einstieg in die Theorie der chemischen Bindungen würde an dieser Stelle alles sprengen.

Die Bindung des Sulfat-Radikals \(\ce{[SO4]^{.-}}\) an Wasser findet in zwei Schritten statt.

\(\ce{2 [SO4]^{.-} -> 2 SO3 + O2 ^}\)
\(\ce{SO3 + H2O -> H2SO4}\)

Im ersten Schritt finden zwei entstandene Sulfat-Radikale \(\ce{[SO4]^{.-}}\) wieder zueinander, allerdings in einer anderen Form. Jeweils ein Sauerstoffatom wird von beiden Seiten abgegeben und reines \(\ce{O2}\) entsteht. Der Pfeil nach oben in der Formel deutet darauf hin, dass \(\ce{O2}\) gasförmig hier vorliegt, im Zuge dieser Reaktion ausgast und sich verflüchtigt. Ebenso entstehen zwei Schwefeltrioxid-Moleküle \(\ce{SO3}\).

Das Ausgasen des reinen Sauerstoffs \(\ce{O2}\) ist der Grund für einen Teil der deutlichen Warnhinweise auf den Verpackungen des Natriumpersulfats. Reiner Sauerstoff hört sich im ersten Moment einmal als nicht so problematisch an. Er findet sich anteilsmäßig zu rund 21 % allgegenwärtig in der Umgebungsluft vor und durch dieses Ausgasen kommt also nur eine weitere Menge hinzu, die augenscheinlich in Relation zur Atmosphäre nur bescheidenes Ausmaß haben kann. Im Allgemeinen ist dieser Gedanke natürlich durchaus schlüssig, aber im Speziellen schaut es leider ganz anders aus. Es entsteht bei dieser Reaktion gar nicht so wenig Sauerstoff, wie gleich zu sehen sein wird. Und in einem abgeschlossenen Raum, vielleicht sogar einem recht dichten Chemikalienschrank, wirkt bereits ein geringer Anstieg des Sauerstoffanteils in der Luft brandfördernd. In Kombination mit anderen Chemikalien, die vielleicht ihrerseits Substanzen ausgasen, können brisante Mischungen entstehen. Diese Gefahr ist nicht zu unterschätzen. Reiner Sauerstoff ist bei weitem nicht so ungefährlich, wie es sich im ersten Moment anhört. Dem Ausgasen mit einem dichten Behältnis entgegenzuwirken, den Sauerstoff quasi mit der wässrigen Natriumpersulfatlösung einzusperren, ist eine ganz schlechte Idee. Wieder wird darauf verwiesen, dass gleich zu sehen sein wird, wie viel Sauerstoff entstehen kann und dass dieser Sauerstoff dabei einen Druck erzeugen wird, dem ein Behälter bald nicht so leicht standhalten wird. Ein Bersten des Behälters unter hohem Druck wäre die Folge.

Der zweite Schritt, also die zweite oben angeführte Reaktion, läuft gleich in Folge der ersten ab. Das entstandene Schwefeltrioxid \(\ce{SO3}\) reagiert nun mit einem Wassermolekül \(\ce{H2O}\). Es entsteht \(\ce{H2SO4}\), eine der bekanntesten und technisch wohl am wichtigsten Chemikale überhaupt. Es handelt sich um die Schwefelsäure.

Diese Schwefelsäure reagiert in Form zweier Protolysestufen in Folge zwar erneut mit Wassermolekülen, diese Schritte sollen hier aber vorerst nicht mehr Teil der Betrachtung sein. Diese werden erst im übernächsten Abschnitt dieses Textes noch interessant. Gedanklich bleibt quasi einmal Schwefelsäure als Abbauprodukt von Natriumpersulfat in wässriger Lösung zurück. Diese spielt beim eigentlichen Ätzvorgang der Kupferschicht einer Leiterplatte keine Rolle. Schwefelsäure wirkt zwar grundsätzlich ätzend auf Kupfer, allerdings erst ab einer viel höheren Konzentration, als hier im normalen Gebrauch von Natriumpersulfat zum Ätzen von Leiterplatten entsteht. Ersichtlich wird damit aber, dass eine einmal angerührte, wässrige Natriumpersulfatlösung ein Ablaufdatum hat. Die Energie der Umgebungswärme wandelt langsam aber kontinuierlich das Peroxodisulfat-Anion mit Hilfe von Wasser unter Ausgasung von Sauerstoff in Schwefelsäure um. Für den Ätzvorgang einer Leiterplatte werden aber rein die Sulfat-Radikale \(\ce{[SO4]^{.-}}\) benötigt, d.h. wenn alle Peroxodisulfat-Anion zerfallen sind, ist die Lösung zum Ätzen unbrauchbar geworden.

In diesem Kontext zu bedenken ist, dass Ätzvorgänge im Hobby- oder Kleinserienbereich oftmals in Ätzküvetten oder im Sprühverfahren durchgeführt werden. In die Ätzküvetten wird hierbei üblicherweise Luft in Bodennähe eingepumpt, um durch die aufsteigenden Luftbläschen eine Umwälzbewegung in dieser Lösung zu erzeugen. Diese Luftbläschen platzen an der Oberfläche und erzeugen so ein feines Aerosol der Lösung in der Luft. Im Sprühverfahren ist die Erzeugung kleinster Tröpfen explizit gewünschtes Verfahrensprinzip. Diese Aerosole können durchaus recht weit im Raum fliegen, bevor sie zu Boden sinken und sind keineswegs nur in unmittelbarer Nähe der Ätzstation vorzufinden, sofern diese nicht Aerosole filtert. Ist der ausgasende Sauerstoff dieser Lösung beim Einatmen naturgemäß eher unkritisch zu sehen, sind die Aerosole, die durch platzende Luftbläschen oder Sprühnebel diese Lösung verlassen, als durchaus problematisch einzustufen. Die entstehenden Radikale von können biologische Schaden anrichten und nicht zuletzt Schwefelsäure kann in der Lunge u.a. zu Lungenödemen führen.

Bevor nun endlich Kupfer ins Spiel kommt, seien vorher noch die Stoffmengen und deren Verhältnisse durchgerechnet, um ein Gefühl dafür zu vermitteln, welche Auswirkungen diese Reaktionen in der wässrigen Natriumpersulfatlösung haben.

Eine empirisch ermittelte und übliche Größenordnung ist, dass pro Liter Wasser etwa 200 g reines Natriumpersulfat als Ätzflüssigkeit gemischt werden. Im Weiteren wird daher mit diesem Masseverhältnis von 5:1 gerechnet, mit dem sehr gute Ätzergebnisse bei der Erstellung von Leiterplatten erzielt werden können.

Sei zunächst einmal wieder die Stoffmenge zu kalkulieren. Von Natriumpersulfat ist diese bereits bekannt. Die weiter oben im vorherigen Abschnitt stehende Rechnung ergab, dass ein Mol Natriumpersulfat eine Masse von 238.106 g besitzt. Für Wasser steht diese Rechnung noch aus. Wieder können aus dem Periodensystem die mittlere Atommasse entnommen werden:

  • Mittlere Atommasse von Wasserstoff: 1.0079 u
  • Mittlere Atommasse von Sauerstoff: 15.999 u

Wieder unter Berücksichtigung der Vielfachheit der vorkommenden Elemente in Wasser \(\ce{H2O}\), ergibt das als Masse für das gesamte Molekül::

\(2 \times 1.0079 \frac{\text{g}}{\text{mol}} + 1 \times 15.999 \frac{\text{g}}{\text{mol}} = 18.0148 \frac{\text{g}}{\text{mol}}\)

Ein Mol Wasser \(\ce{H2O}\) hat also eine Masse von 18.0148 g. Mit diesen beiden Mol-Massen können jetzt natürlich sehr leicht die Stoffmengen von exemplarisch 1000 g Wasser und 200 g Natriumpersulfat kalkuliert werden.

1000 g Wasser \(\ce{H2O}\):

\(\frac{1000\,\mathrm{g}}{18.0148\,\mathrm{g}\, \mathrm{mol}^{-1}} = 55.509\,\mathrm{mol}\)

200 g Natriumpersulfat \(\ce{Na2S2O8}\):

\(\frac{200\,\mathrm{g}}{238.106\,\mathrm{g}\, \mathrm{mol}^{-1}} = 0.839\,\mathrm{mol}\)

Wasser \(\ce{H2O}\) und Natriumpersulfat \(\ce{Na2S2O8}\) werden in diesen Stoffmengen zusammengemischt. Der erste Schritt war, dass Wasser aufgrund seiner Dipoleigenschaft die ionische Bindung des Natriumpersulfates lösen konnte und aus dem kristallinen Natriumpersulfat drei Teilstücke in Hydrathüllen entstanden sind. Zwei Teilstücke waren jeweils die beiden Natrium-Kationen und das dritte Teilstück war das Peroxodisulfat-Anion. Die Anzahlen, d.h. Stoffmengen, dieser Teilstücke verhalten sich also im Verhältnis 1:2:1 zwischen dem ursprünglichem Natriumpersulfat, den gelösten Natrium-Kationen und den gelösten Peroxodisulfat-Anionen. In der wässrigen Lösung von Natriumpersulfat befinden damit:

  • Wasser: \(55.509\,\mathrm{mol}\)
  • Natrium-Kationen: \(2 \times 0.839\,\mathrm{mol} = 1.678\,\mathrm{mol}\)
  • Peroxodisulfat-Anionen: \(1 \times 0.839\,\mathrm{mol} = 0.839\,\mathrm{mol}\)

Der nächste Schritt war, dass die Peroxodisulfat-Anionen unter Wärmeenergie in jeweils zwei Radikale zerfallen. Es wird hier das Maximum angenommen, d.h. alle Peroxodisulfat-Anionen zerfallen. Dies geschieht natürlich nicht unmittelbar, sondern je nach Umgebungsbegindungen im Laufe einer gewissen, durchaus auch langen Zeit. Aus der Stoffmenge der Peroxodisulfat-Anionen entsteht so die doppelte Stoffmenge an Sulfat-Radikalen. Zwei dieser Sulfat-Radikalen gasen gemeinsam ein Sauerstoffmolekül \(\ce{O2}\) aus und reagieren jeweils einzeln dann mit einem Wassermolekül \(\ce{H2O}\) zu Schwefelsäure. Das ergibt dann folgende neue Stoffmengen nach diesen Reaktionen:

  • Natrium-Kationen: \(1.678\,\mathrm{mol}\)
  • Schwefelsäure: \(2 \times 0.839\,\mathrm{mol} = 1.678\,\mathrm{mol}\) (unter Verbrauch von ebenfalls \(2 \times 0.839\,\mathrm{mol} = 1.678\,\mathrm{mol}\) Wasser)
  • Wasser: \(55.509\,\mathrm{mol}\, – 1.678\,\mathrm{mol} = 53.831\,\mathrm{mol}\) (Verbrauch für die Schwefelsäure abgezogen)
  • Ausgasender Sauerstoff: \(0.839\,\mathrm{mol}\)

Werden diese Stoffmengen wieder in ihre Massen zurückgerechnet, ist zu erkennen, dass die bisherige Rechnung korrekt ist.

  • \(1.678\,\mathrm{mol}\,\ce{Na}\) entspricht 38.577 g.
  • \(1.678\,\mathrm{mol}\,\ce{H2SO4}\) entspricht 164.576 g.
  • \(53.831\,\mathrm{mol}\,\ce{H2O}\) entspricht 969.755 g.
  • \(0.839\,\mathrm{mol}\,\ce{O2}\) entspricht 26.846 g.

Von der Rundungsungenauigkeit abgesehen, ergibt das in Summe wieder die ursprünglichen 1200 g. Wobei \(0.839\,\mathrm{mol}\,\ce{O2}\), also 26.846 g Sauerstoff ausgasen und damit verloren gehen. In der wässrigen Lösung bleiben 1172.908 g Substanz zurück und davon sind 164.576 g Schwefelsäure. Das ergibt einen Masseanteil von rund 14 % Schwefelsäure, der maximal in dieser Lösung entstehen kann. Diese Konzentration ist zum Ätzen von Kupfer weitaus zu wenig, allerdings für den Umgang mit dieser Chemikalie und deren Lagerung, bzw. insbesondere deren Entsorgung, unbedingt beachtenswert.

Der Blick auf die 26.846 g ausgasenden Sauerstoffmoleküle zeigt nun sehr gut ein ganz anderes Gefahrenpotential dieses Substanz, über die alleinige brandfördernde Wirkung von Sauerstoff an sich hinaus. Ohne hier beschreibend in die Grundlagen der physikalischen Eigenschaften von Gasen einsteigen zu wollen, soll trotzdem kurz skizziert werden, was 26.846 g ausgasender Sauerstoff bedeuten kann.

Die allgemeine Gasgleichung der Physik beschreibt den Zusammenhang zwischen, Druck, Volumen, Masse (bzw. Stoffmenge) und Temperatur eines idealen Gases unter Zuhilfenahme der universellen (oder molaren) Gaskonstante, die für alle Gase ident ist. Dieses allgemeine Gasgesetz lautet:

\(p \cdot V = n \cdot R \cdot T\)

Wobei p der Druck, V das Volumen, n die Stoffmenge, R die universelle Gaskonstante und T die Temperatur in Kelvin sind. Die universelle Gaskonstante lautet per Definition exakt: \(R = 8.31446261815324\,\mathrm{J}\,\mathrm{mol}^{-1}\,\mathrm{K}^{-1}\).

Im ersten Gedankengang darf sich das Gas uneingeschränkt und frei ausbreiten. Es wird in kein Behältnis mit fixem Volumen eingesperrt, es herrscht ein mittlerer Luftdruck auf Meereshöhe von 1013.25 hPa und eine Temperatur von 20°C (d.h. 293.15 K). Das Gas nimmt dann folgendes Volumen ein:

\(V = \frac{n \cdot R \cdot T}{p} = \frac{0.839\,\mathrm{mol} \cdot 8.31446261815324\,\mathrm{J}\,\mathrm{mol}^{-1}\,\mathrm{K}^{-1} \cdot 293.15\,\mathrm{K}}{1.01325 \times 10^{5}\,\mathrm{Pa}} \approx 0.02\,\mathrm{m}^3\)

Wird bedacht, dass ein Liter (1 l) das Volumen von einem Kubikdezimeter (\(\mathrm{dm}^3\)) hat und die Umrechnung zwischen einem Kubikmeter und einem Kubikdezimeter, \(1\,\mathrm{dm}^3 = 0.001\,\mathrm{m}^3\) ist, dann werden hier anschaulich rund 20 Liter reiner Sauerstoff freigesetzt. Das ist gar nicht einmal so wenig.

Nun wird gedanklich dieses freigesetzte Gas in einen Behälter gesperrt. Das Volumen wird also beschränkt. Vermeintlich großzügigerweise wird ein Behältnis gewählt, sodass noch ein Liter Raum für das Gas zur Verfügung steht. Die folgende Berechnung kann nur als überschlagsmäßig als untere Richtgröße verstanden werden. Der Raum des Behältnisses ist sicherlich nach dem Einfüllen bereits mit einem Gas (Luft) gefüllt, das zu berücksichtigen wäre und den Druck noch weiter erhöhen wurde, da es selbst ebenfalls Platz benötigt. Dies wird hier aber einfachheitshalber ignoriert. Wieder sei ein mittlerer Luftdruck auf Meereshöhe von 1013.25 hPa und eine Temperatur von 20°C (d.h. 293.15 K) in der Umgebung angenommen. Der entstehende Druck wäre somit zu berechnen mit:

\(p = \frac{n \cdot R \cdot T}{V} = \frac{0.839\,\mathrm{mol} \cdot 8.31446261815324\,\mathrm{J}\,\mathrm{mol}^{-1}\,\mathrm{K}^{-1} \cdot 293.15\,\mathrm{K}}{0.001\,\mathrm{m}^3} \approx 20.45 \times 10^5\,\mathrm{Pa}\)

Zum Umgebungsdruck von \(1.01325 \times 10^{5}\,\mathrm{Pa}\) besteht damit eine Druckdifferenz von rund \(19.44 \times 10^{5}\,\mathrm{Pa}\). Das sind umgerechnet – in die wohl eher alltägliche Druckgröße – 19.44 bar zwischen dem Inneren und dem Äußeren des Behälters. Hier wird die Materialfestigkeit der Behälter in der Mehrheit aller Fällen deutlich überfordert sein.

Wird ein Behälter gut vollgefüllt und findet sich darin nur noch ein freier Platz von einem zehntel Liter vor, was in etwa bei einer üblicherweise vollgefüllten Flasche der Fall sein wird, dann entstehen abenteuerliche Druckverhältnisse. Der Proportionalität der obigen Formel folgend, steigt mit einem zehntel des Volumens der Druck auf das Zehnfache. Der Bereich von 200 bar ist das Einsatzgebiet von speziell dafür ausgelegte Druckflaschen. Es bedarf hoffentlich keiner expliziten Erwähnung mehr, dass damit sehr anschaulich ist, warum die wässrige Lösung von Natriumpersulfat keinesfalls verschlossen gelagert werden soll.

Ätzen von Kupfer mit Natriumpersulfat

Nach dieser langen Vorbereitung und dem Kennenlernen der wässrigen Lösung von Natriumpersulfat wird die eigentliche Ätzreaktion zum Entfernen von Kupfer vergleichsweise fast banal wirken.

Das Lösen des Kupfers übernehmen, wie schon weiter oben kurz erwähnt, alleine die Sulfat-Radikale. Die Schwefelsäure spielt in der vorhandenen Konzentration keine Rolle. Entscheidend ist aber, dass die Sulfat-Radikale ganz in der Nähe des Kupfers entstehen. Die Sulfat-Radikale sind so bindungswillig, dass diese nicht lange auf einen Partner warten. Entstehen die Radikale zu weit vom Kupfer entfernt, gehen sie den oben genannten Weg der Reaktion mit Wasser und der daraus resultierenden Schwefelsäure. Die bindungslose Zeit der Radikale hängt natürlich wieder von äußeren Einflussfaktoren, wie Temperatur und Druck ab, kann aber pauschal im Bereich der Sekundenbruchteile angesiedelt werden. Daher ist es wichtig, dass immer wieder frische Lösung von Natriumpersulfat zum Kupfer kommt. Steht die Lösung still, entsteht in der Nähe der zu ätzenden Kupferschicht eine gesättigte Zone der Ätzprodukte – die gleich beschrieben werden –, die einen weiteren Ätzvorgang stoppen, bzw. stark behindern. Das Ätzverfahren muss stets dafür sorgen, neue Radikale zum Kupfer zu bringen, sei es durch Umwälzbewegungen den Lösung, durch stetes Besprühen der Kupferschicht oder durch Schwänken der Lösung.

Begonnen wird wieder vor der Sulfat-Radikalbildung mit der bereits bekannten Hydratation von Natriumpersulfat.

\(\ce{Na2S2O8_{(s)} -> 2 Na^{+}_{(aq)} + S2O8^{2-}_{(aq)}}\)

Diese wässrige Lösung kommt nun in die Nähe von festem (solidus) Kupfer \(\ce{Cu_{(s)}}\). Unter der Annahme, dass das Peroxodisulfat-Anion durch hinzugeführte Wärmeenergie hier wieder im Zuge der Thermolyse in zwei Sulfat-Radikale zerfällt, ist nun Kupfer der attraktivste Kandidat für eine Bindung mit den Radikalen. Diese lösen im ersten Schritt Kupferionen aus dem Metallverband der Kupferschicht hinaus, die dann in die wässrige Lösung gezogen werden. Die Ionisierung des Kupfers erfolgt, indem das bindungswillige Sauerstoffatom im Sulfat-Radikal jeweils ein Elektron auf dem Kupfer löst. Bei zwei Radikalen, werden also zwei Elektronen dem Kupfer abgenommen, wodurch dieses zweifach positiv geladen wird. Als Metall fällt es Kupfer sehr leicht einige äußere Elektronen abzugeben, was schon in der ausgezeichneten Leitfähigkeit des elektrischen Stroms erkennbar ist. Aus den Sulfat-Radikalen entstehen somit zwei zweifach negativ geladene Sulfat-Anionen.

\(\ce{2 Na^{+}_{(aq)} + S2O8^{2-}_{(aq)} + Cu_{(s)} ->[\Delta] 2 Na^{+}_{(aq)} + 2 SO4^{2-}_{(aq)} + Cu^{2+}_{(aq)}}\)

Jetzt sind hier etliche ionische Ladungen im Spiel. Diese sind sogar stark genug, um die Hydrathüllen zu durchbrechen und ionische Bindungen einzugehen. Daher setzt sich auch mit der Zeit ein Bodensatz in der Lösung ab.

\(\ce{2 Na^{+}_{(aq)} + 2 SO4^{2-}_{(aq)} + Cu^{2+}_{(aq)} -> Na2SO4 + CuSO4}\)

Wunderschön zu sehen ist, dass sich die beiden Sulfat-Anionen aufteilen und sich ionisch einerseits an das Natrium und andererseits an das Kupfer binden. Es entstehen damit wieder zwei Salze. Das bereits vom Beginn des Artikels bekannte Natriumsulfat und Kupfersulfat. Kupfersulfat färbt die Lösung bläulich. Je mehr Kupfer gelöst wird, desto mehr färbt sich die bis dahin stets durchsichtige Flüssigkeit ein.

Damit endet auch schon wieder die chemische Ätzreaktion. Es fehlen allerdings noch ein paar interessante Zahlen dazu.

Es ist aus dem letzten Abschnitt bekannt, dass in der exemplarischen Lösung von 1000 g Wasser und 200 g Natriumpersulfat rechnerisch dann 0.839 mol Peroxodisulfat-Anionen enthalten sind. Jedes dieser Anionen ist potentiell in der Lage ein Kupferatom zu lösen. Es könnten also maximal ebenfalls die Stoffmenge von 0.839 mol Kupfer abgeätzt werden. Kupfer hat laut Periodensystem ein mittleres Atomgewicht von 63.546 u, also entsprechen 0.839 mol in etwa 53.315 g Kupfer.

Eine Europlatine, die gerne als Grundlage zum Ätzen verwendet wird, hat eine Größe von 160 x 100 mm und eine Kupferschichtdicke von 35 µm. Damit wäre auf einer solchen ein Kupfervolumen gegeben von:

\(16\,\mathrm{cm} \cdot 10\,\mathrm{cm} \cdot 35 \times 10^{-4}\,\mathrm{cm} = 0.56\,\mathrm{cm}^3\)

Kupfer hat eine Dichte von etwa \(8.92\,\mathrm{g}\,\mathrm{cm}^{-3}\) (bei 20°C). Das Volumen von \(0.56\,\mathrm{cm}^3\) hätte also eine Masse von ca. 4.995 g. Wenn mit dieser exemplarischen Lösung 53.315 g Kupfer gelöst werden kann, entspricht dies also der Masse von 10.673 Stück Europlatinen, die vollständig vom Kupfer befreit werden könnten. Das ist natürlich ein absolut theoretischer Maximalwert. Auch beim effizientesten Ätzverfahren wird es utopisch sein, dass die Sulfat-Radikale ausschließlich Kupfer lösen und andererseits – sei nebenbei bemerkt – ist ein vollständiges Abätzen von Europlatinen eher sinnbefreit. Es soll hier nur das theoretische Potential dieser Lösung greifbar werden. Im Regelfall wird spätestens nach einer Handvoll Europlatinen das Ätzpotential dieser Menge an Natriumpersulfatlösung erschöpft sein.

Ebenfalls festzustellen, nach all dem Gezeigten, ist, dass es folglich die eine, optimale Temperatur beim Ätzen mit Natriumpersulfat nicht gibt. Eine Ätzreaktion findet bis zu einem Grad bei jeder (über dem absoluten Nullpunkt liegenden) Temperatur statt und je stärker eine Zufuhr an Wärmeenergie ist, desto mehr Sulfat-Radikale entstehen pro Zeit. Eine Erhöhung der Temperatur führt zu eine stärkeren Ätzreaktion. Es gilt einen guten Kompromiss zu finden, zwischen einer akzeptablen Ätzdauer und einem zu raschem Zerfall der Peroxodisulfat-Anionen außerhalb der Reichweite der Kupferschicht, was einer Verschwendung der Lösung gleichkommen würde. Da die Zunahme der Ätzwirkung nicht linear mit dem Temperaturanstieg einhergeht, sondern schneller ansteigt, gibt es für jedes Ätzverfahren und jede individuelle Ätzstation mit ihren technischen Details, wie der Transportleistung der Ätzlösung zur Kupferschicht, eine empirisch zu ermittelnde Temperatur existiert, an der Ätzdauer, -qualität, -menge und praktische Handhabbarkeit in einem guten Verhältnis stehen. Die Praxis hat gezeigt, dass bei den üblichen Verfahren bei Leiterplatten Temperaturen unter 40°C zu einer mühsam langen Ätzdauer führen und Temperaturen jenseits von 50°C die Ätzlösung verschwenderisch schnell abbauen. Daher findet sich dieses Temperaturintervall am häufigsten als Empfehlung.

Kupfer, bzw. Kupferionen sind toxisch. Ein ausgewachsener Mensch könnte nur etwa 0.04 g Kupfer pro Tag zu sich nehmen, ohne negative gesundheitliche Auswirkungen erwarten zu müssen. Das entspricht in etwa 0.8 % der Kupferfläche einer Europlatine. Für Bakterien, andere Mikroorganismen und Kleinstlebewesen ist Kupfer bereits in minimalen Mengen hoch toxisch. Das bakterielle Milieu einer Kläranlage kann durch geringe Mengen an Kupfer empfindlich gestört werden. Ist Natriumpersulfat schon ein Problemstoff an sich, erhöht sich durch den gelösten Kupfer die Toxizität gravierend. Ohne fachgerechte Entsorgung stellen Kleinstmengen bereits umwelttechnisch eine beträchtliche Gefahr dar. Es wäre also mehr als angebracht, die Gedankenreise nach der Erfüllung des primären Zweckes nicht zu beenden, sondern zu Ende zu denken.

Abbau der Ätzlösung

Umwelttechnisch soll eine unbedenkliche Substanz entstehen. Dies könnte als nächstes Ziel für eine Weiterführung des Prozesses anvisiert werden.

An dieser Stelle muss zunächst einmal eine Bestandsaufnahme stehen. Es liegt eine Lösung vor, deren Zusammensetzung bekannt ist:

  • Wasser \(\ce{H2O}\)
  • Schwefelsäure \(\ce{H2SO4}\)
  • Natriumsulfat \(\ce{Na2SO4}\)
  • Kupfersulfat \(\ce{CuSO4}\)

Die genauen Anteile dieser Substanzen sind nicht mehr genau bekannt, da der Ätzvorgang zahlenmäßig nicht genau absehbar ist. Wieviel Kupfer exakt gelöst wurde, ist unbekannt.

Und das mit der Schwefelsäure \(\ce{H2SO4}\) ist nicht ganz korrekt. Oben im Artikel wurde der Gedankengang nach der Erzeugung der Schwefelsäure sinnvollerweise wie beschrieben gestoppt, an dieser Stelle ist diese Ungenauigkeit allerdings nun hinderlich.

Schwefelsäure in Wasser führt eine zweistufige Protolysereaktion durch. Eine Protolyse ist eine Reaktion, bei der ein Proton (\(\ce{H^{+}}\)-Ion) übertragen wird. Da es ohne Zweifel reichlich Wassermoleküle gibt, ganz egal wie die Ätzreaktion abgelaufen ist – das zeigen die oben errechneten Stoffmengen ganz klar – kann davon ausgegangen werden, dass alle Schwefelsäuremoleküle \(\ce{H2SO4}\) diese zweistufigen Protolysereaktion durchlaufen.

1. Protolysestufe: \(\ce{H2SO4 + H2O -> HSO4^{-} + H3O^{+}}\)
2. Protolysestufe: \(\ce{HSO4^{-} + H2O -> SO4^{2-} + H3O^{+}}\)

Die Schwefelsäure wird in dieser sehr niedrigen Konzentration in Wasser also vollständig dissoziiert und in ein Sulfat-Anion \(\ce{SO4^{2-}}\) und zwei Oxonium-Moleküle \(\ce{H3O^{+}}\) übergeführt.

\(\ce{H2SO4 + 2 H2O -> SO4^{2-} + 2 H3O^{+}}\)

Soweit der Nachtrag zur in Wasser verdünnten Schwefelsäure, der gleich noch wichtig wird. Das größte Problem liegt aber zunächst einmal beim Kupfer. Es gilt diesen einmal aus der Lösung zu entfernen. Kupfer liegt in Form von Kupfersulfat \(\ce{CuSO4}\) vor, also das Kupfersalz der Schwefelsäure. Zwischen Kupfer und dem Sulfat liegt wieder eine Ionenbindung vor, d.h. elektrostatische Ladungen halten das Molekül zusammen. Mit elektrischen Ladungen ausgeschrieben wäre die chemische Formel \(\ce{Cu^{2+}[SO4]^{2-}}\). Äquivalentes gilt natürlich für Natriumsulfat.

Ein sehr gutes Mittel der Wahl zur Trennung chemischen Strukturen ist die Elektrolyse. Elektrischer Strom wird verwendet, um chemische Stoffen zu zwingen Elektronen abzugeben. Eine solche Elektronenabgabe wird auch Oxidation genannt. Auf der gegengepolten Seite werden Elektronen im Gegenzug aufgenommen, das Ladungsniveau wird also reduziert, daher wird auch von einer Reduktion gesprochen. Eine Elektrolyse ist damit eine örtlich getrennte Redox-Reaktion (Reduktion-Oxidation). Mittels zwei Elektroden wird eine Substanz einer Gleichstromspannung ausgesetzt. Eine Elektrode, die Kathode, bringt durch einen Elektronenüberschuss ein negatives elektrisches Feld in die Substanz ein und die Anode, die Elektrode auf der anderen Seite, setzt durch einen Elektronenmangel ein positiv geladenes Feld frei.

Die für so eine Redox-Reaktion notwendigen Spannungen werden der elektrochemischen Spannungsreihe für die gegenständlichen Stoffe entnommen. Das tiefere Verständnis dieser Spannungsreihe ist komplex und bedarf Kenntnis der theoretischen Grundlagen, wie Elektronen an den Atomkern gebunden werden. Erst dann wird verständlich, welche Spannungen aufgewendet werden müssen, um Elektronen dem Atomkern zu entreißen.

Hier werden nur tabellarisch die Spannungen aus der elektrochemischen Spannungsreihe entnommen. Diese gelten nur unter genau definierten sog. Standardbedingungen, d.h. Temperatur, Druck, Stoffmenge, usw. beeinflussen diese aufzubringenden Spannungen. Die exakte Spannung ist für eine Elektrolyse aber nicht unbedingt relevant, solange diese die notwenige Trennungsspannung überschreitet. Ein Stromfluss unter Überspannung wird in Wärmeenergie bei der Elektrolyse umgewandelt, was normalerweise kein Problem darstellt, wenn in etwa mit Spannungen aus der Spannungsreihe unter Hinzugabe eines kleinen Buffers gearbeitet wird.

Die hier interessanten Daten der elektrochemischen Spannungsreihe sind:

  • Kupfer (Cu): \(\ce{Cu^{2+} + 2 e^{-} <=> Cu}\), Spannung +0.35 V
  • Natrium (Na): \(\ce{Na^{+} + e^{-} <=> Na}\), Spannung -2.71 V
  • Sauerstoff (O): \(\ce{O2^{+} + 4 H^{+} + 4 e^{-} <=> 2 H2O}\), Spannung +1.23 V
  • Wasserstoff (H): \(\ce{2 H^{+} + 2 e^{-} <=> H2}\), Spannung 0 V

Die linke Seite der chemischen Reaktionsgleichungen ist hierbei immer die oxidierte Form, die rechte Seite die reduzierte Form, unter der angegebenen Spannung. Wichtig ist hierbei aber zu sehen, dass Kupfer nur eine sehr geringe Spannung für eine Elektrolyse braucht und dann der zweite Kandidat sofort Sauerstoff ist. Der Wasserstoff mit 0 V Redox-Spannung ist kein Schreibfehler, sondern definiert chemisch den Spannungsnullpunkt, zu dem alle anderen Spannungen in Relation zu sehen sind.

Ein ganz zentraler Aspekt ist, sich über die Elektroden Gedanken zu machen. Diese sollen unter Spannungseinfluss keine weiteren Stoffe in die Lösung einbringen und diese damit quasi verunreinigen. Es würde nur den Aufwand erhöhen, diese dann wieder der Lösung zu entfernen. Auf der anderen Seite wäre es natürlich sehr Hilfreich eine Elektrode zu nehmen, die Kupfer aufnehmen kann. Schließlich wird Kupfer unter den Alltagstemperaturen nicht gasförmig werden und ausgasen, sondern nur zur Elektrode wandern, die das Kupfer dann aufnehmen muss. Abgasendes oder auch nur schmelzendes Kupfer wäre auch keinesfalls wünschenswert. Ganz einfach bietet sich hierfür eine Kupferelektrode an, die Kupfer aus der Lösung einfach in ihren Metallverbund durch Ablagerung aufnehmen wird.

Die andere Elektrode will auch wohlüberlegt sein. Diese sollte im Idealfall chemisch in keiner Weise mit der Lösung reagieren und einfach nur den Stromfluss bereitstellen. Hier bietet sich chemisch in erster Linie Platin an, das eine ausgezeichnete Elektrode hier darstellen würde. Vermutlich ist aber ein Platindraht gewöhnlich nicht immer leicht greifbar, wobei ein paar Zentimeter dünner Platindraht kein Vermögen kosten. Ein reiner Graphitstab (Kohlenstoff) bietet sich alternativ auch gut an, oder notfalls ein qualitativ sehr hochwertiger Edelstahldraht. Beim Edelstahldraht gilt es aber, die genaue Beschaffenheit zu kennen und vorab zu beurteilen. Vor allem Chrom und Nickel könnten gelöst werden.

Wird nun z.B. Platin als Anode (Pluspol) und Kupfer als Kathode (Minuspol) bei der Elektrolyse verwendet, findet eine sehr interessante Reaktion statt. Geringe Spannung von unter 2 V reicht bereits der obigen Tabelle nach aus. Die Stärke des Stromes beeinflusst die Reaktionsgeschwindigkeit. Wie gleich zu sehen sein wird, wäre dieser klugerweise ebenfalls in einem eher geringen Bereich (Milliamperbereich) zu halten, um die Elektrolyse nicht zu weit laufen zu lassen.

Als Redox-Reaktion trennt nun diese Elektrolyse die Elektronen von jenen Stoffen, deren elektrisches Bindungspotential der elektrochemischen Spannungsreihe nach unterhalb der zugeführten Spannung liegt. Das Kupfer-Kation hat zwei Elektronen zu wenig und konnte dadurch die ionische Bindung mit dem Sulfat-Anion eingehen. Es nimmt zwei Elektronen von der Kupferkathode auf und löst damit die ionische Bindung auf. Im gleichen Zuge lagert sich dabei, bei dieser Elektronenaufnahme, Kupfer an die Kupferelektrode an. Das alleine gelassene Sulfat-Anion bleibt zurück. Auch Wasser wird im Zuge der Elektrolyse aufgespalten. Sauerstoff gibt der Kupferelektrode ebenfalls in diesem Spannungsbereich Elektronen ab, kann sich aber nicht am Kupfer ablagern, sondern gast wieder aus der Lösung aus. An der Anode auf der Gegenseite finden das Sulfat-Anion und der Wasserstoff zueinander, wodurch die bekannte Schwefelsäure \(\ce{H2SO4}\) wieder entsteht. In chemische Formelschreibweise wäre diese Beschreibung der Abläufe:

\(\ce{2 [Cu]^{2+}[SO4]^{2-} + 2 H2O ->[Elektrolyse] 2 Cu + 2 H2SO4 + O2 ^}\)

Dem Natriumsulfat passiert hier im Gegenzug nichts. Der Spannungsreihe zu entnehmen ist, dass Natrium negative Spannungsverhältnisse im Bezug zur Referenzspannung des Wasserstoffe für eine Elektronenabgabe braucht. Natriumsulfat bleibt also unbeeindruckt von dieser Elektrolyse.

An der Kupferkathode wird sich nun zunehmend reiner Kupfer ablagern, wodurch diese Kathode an Masse zunehmen wird. Sollte der Kupfer nicht anderwärtig gebraucht werden, ist er ein wertvolles Altmetall. Im gleichen Zuge wird die bläuliche Lösung an Farbe verlieren und immer weiter farblos werden. Auf der anderen Seite, bei der Anode, steigt reiner Sauerstoff auf und gast aus.

Sobald kein Kupfer mehr in der Lösung ist, also Kupfersulfat nicht mehr durch die Elektrolyse zerlegt werden kann, stoppt die Reaktion zur Schwefelsäure. Die Lösung ist dann vollständig durchsichtig und hat jede Blaufärbung verloren. Wasser \(\ce{H2O}\) ist jedoch noch reichlich in der Lösung vorhanden, sodass die Elektrolyse von Wasser fortgesetzt wird. Der Wasserstoff an der Anode findet jedoch kein Sulfat mehr zum Binden vor und wird ebenfalls ausgasen.

Wenn bei beiden Elektroden Gas entsteht und aufsteigt, ist der Elektrolyseprozess zu stoppen. Gasförmiger Wasserstoff auf der einen Seite und gasförmiger Sauerstoff auf der anderen, vermischen sich zu Knallgas \(\ce{H2 + O2}\), sofern diese nicht getrennt aufgefangen werden. Schon in geringen Mengen können Knallgasreaktionen, wie der Name bereits sagt, sehr heftig und explosiv sein.

Nun ist gedanklich der Kupfer vollständig extrahiert und auch die neu entstandene Schwefelsäure geht in dieser wässrigen Lösung auch den oben genannten Weg der beiden Protolysestufen.

\(\ce{H2SO4 + 2 H2O -> SO4^{2-} + 2 H3O^{+}}\)

Die nächste Überlegung müsste also sein, wie diese mit Wasser verdünnte Schwefelsäure neutralisiert werden kann.

Bei der Leiterplattenherstellung wird gewöhnlich Natriumhydroxid \(\ce{NaOH}\) als Entwickler für die belichtete Fotobeschichtung verwendet. Diese Chemikale, die in wässriger Lösung auch als Natronlauge bekannt ist, ist eine gut zugängliche, günstige und auch wohl eine der bedeutendsten chemischen Grundstoffe. Zur Neutralisierung der verdünnten Schwefelsäure im gegenwärtigen Fall eignet sie sich ideal.

\(\ce{SO4^{2-} + 2 H3O^{+} + 2 NaOH -> 2 Na2SO4 + 4 H2O}\)

Bei dieser Reaktion, bei der die doppelte Stoffmenge der Sulfat-Anionen für das Natriumhydroxid \(\ce{NaOH}\) verwendet werden muss, entsteht wiederum Natriumsulfat. Das bedeutet, das am Ende nur noch Wasser und Natriumsulfat in dieser Lösung übrig bleibt.

Die erforderliche Menge von Natriumhydroxid kann recht gut kalkuliert werden. Der weiter oben ausgeführte Gedanken an den vollständigen Zerfall der wässrigen Natriumpersulfatlkösung führte zu einer kalkulierten Stoffmenge von 1.678 mol Schwefelsäure \(\ce{H2SO4}\). Der Weg über das gelöste Kupfer und der anschießenden Elektrolyse muss zur gleichen Stoffmenge dieser Substanz führen, da nur das Potential für diese Stoffmenge in Natriumpersulfat enthalten ist und dieses Potential auch durch die Elektrolyse nicht verringert wird. Unter der Annahme des vollständigen Abbaues des Natriumpersulfat, bzw. der Sulfat-Radikale und der vollständigen Elektrolyse, muss die Menge an entstehender Schwefelsäure ident sein.

Somit muss zu 1.678 mol der Schwefelsäure \(\ce{H2SO4}\) die doppelte Menge, also 3.356 mol Natriumhydroxid \(\ce{NaOH}\) zugesetzt werden, damit eine neutrale Lösung, eine reine Natriumsulfatlösung entsteht. Die Molekülmasse von Natriumhydroxid \(\ce{NaOH}\) lässt sich wieder leicht durch die bereits oben angeführten Werte bestimmen und liegt bei \(39.997\,\frac{\mathrm{g}}{\textrm{mol}}\). Es müssten also rund 134.229 g Natriumhydroxid \(\ce{NaOH}\) zugesetzt werden. In der Praxis kann auch die Lösung mit einem pH-Meter bei der Zugabe von Natriumhydroxid überwacht werden. Eine reine Natriumsulfatlösung ist neutral und weist einen pH-Wert von 7 auf.

Hier endet die chemische Reise und der Gedankengang ist wieder an einem Ausgangsstoff am Anfang dieses Textes gelandet. Natriumsulfat ist eine verhältnismäßig unproblematische Substanz. Sie kommt in der Umwelt in Gesteinen vor, wird Lebensmitteln zugesetzt, medizinisch verwendet und dient auch als mineralischer Pflanzendünger. Aus dem vormaligen Ätzmittel kann so eine gut handhabbarer Substanz werden.

Da aber die Reinheit dieser Substanz ein eher theoretisches Konstrukt ist und keinesfalls davon ausgegangen werden kann, dass sich weder Natriumpersulfat in der Lösung vollständig abgebaut hat, noch das Kupfer durch die Elektrolyse gänzlich extrahiert wurde, bleibt diese Lösung ein Problemstoff, bis eine einwandfreie Analyse die Reinheit des Produktes nach dem Abbauverfahren das Gegenteil beweisen konnte. Da eine solche Analyse unter normalen Bedingungen unmöglich ist, gilt diese resultierende Lösung weiterhin ausschließlich als Endprodukt des Ätzprozesses und ist damit als Problemstoff zu entsorgen, auch wenn die Umweltverträglichkeit theoretisch erhöht worden sein müsste.

Über den Autor

Johannes Strodl

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Ewig auf der Suche ist Johannes Strodl immer noch dabei herauszufinden, wer er ist. Im beruflichen Alltag bezeichnet er sich als Informatiker – schließlich sitzt er den lieben, langen Tag lang vor dem Computer und führt seit vielen Jahren begeistert IT-Projekte durch. In Wahrheit jedoch ist er vermutlich der kindlichen Warum-Phase nicht entwachsen und hat nie aufgehört neugierig zu sein. In der tiefen Überzeugung, dass alles in dieser Welt interessant ist und es unabdingbar ist, immerzu aufs Neue Fragen zu stellen, ist dieser Weblog wohl eine Mischung aus der Weitergabe jener Dinge, die sich auf dem Weg bereits entdecken ließen und einer Selbstfindung. Letztendlich sind die Rollen des Lernenden und des Lehrenden austauschbar und ununterscheidbar. Beruflich betreibt er eine eigene Website unter https://johannesstrodl.com.

2 Kommentare

  1. Patrick

    Na das nenne ich mal umfassend. Danke.
    Das beantwortet auch meine Frage: kann ich meine alte Ätzlösung zum verkupfern benutzen.

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  2. Anonymous

    Sehr interessant. Vielen Dank!

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