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Das kollektive Einzelschicksal

09. Februar 2021

Als Informatiker*in ist nicht alles immer so einfach, wie es nach außen hin manchmal aussehen mag. Die täglichen Kämpfe gegen instabile Netzwerkverbindungen, plötzlich nicht mehr funktionierende Druckertreiber, dubiose Fehlermeldungen und gut versteckte Programmfunktionen, ist genauso zu führen, wie von allen Benutzer*innen.

Na ja, wahrscheinlich wird genauer betrachtet der Kampf zwar ebenfalls, allerdings nicht exakt genauso geführt. Bei längerer Beschäftigung mit diesen Maschinen wird eine eigene Denkweise angenommen, die als Zugang zu möglichen Problemlösungen sehr oft zum Ziel führt. Die Muster, nach denen diese Geräte arbeiten ähneln sich in gewisser Weise. Dazu kommt Erfahrung mit solchen Problemen, denen in der täglichen Routine einfach zu häufig begegnet wird. Und zur guter Letzt erhöht sich sinnvollerweise beim ständigen Arbeiten mit Computern die eigene Frustrationstoleranz und es entsteht mit der Zeit Geduld, Abgeklärtheit und ein langer Atem, um einen Problem dann doch noch beizukommen.

Das sind aber eigentlich alles keine spezifischen Eigenschaften, die in der Wissenschaft der Informatik liegen, sondern die vermutlich fast allen zu eigen werden, die mit Computern intensiv arbeiten und eine tiefere Auseinandersetzung mit der Technik zulassen. Dennoch wird Informatiker*innen nahezu reflexartig eine Expertise in der Kompetenz zur Lösung von Computerproblemen aller Art zugeschrieben. Dass es sich zwischen der Wissenschaft der Informatik und dem Computer als Arbeitsgerät vielleicht ungefähr genau so verhält, wie zwischen der Wissenschaft der Astronomie und einem handelsüblichen Teleskop, liegt nicht im breiten Alltagsverständnis. Auch Astronom*innen werden zumeist direkt oder indirekt mit Teleskopen arbeiten, aber das macht sie noch nicht zwingend zu Spezialist*innen für die Technik hinter den Teleskopen, deren Konstruktion, Steuerungstechnik und deren fachgerechte Instandhaltung.

In der Tiefe liefert die Informatik die Grundlagen für informationsverarbeitende Systeme. Als Wissenschaft ist es ihre primäre Aufgabe, das Wissen zu schaffen, durch welche Mechanismen eine solche Verarbeitung stattfinden kann, bzw. wie diese Mechanismen möglichst effizient arbeiten können. Vor allem hat sie das theoretische Fundament zu liefern, auf dem die Technik dann tatsächlich solche Systeme realisieren kann. Die Werkzeuge der Informatik sind oftmals ausgesprochen abstrakter Natur und nahe der mathematischen Logik angesiedelt. Selbstverständlich nutzt die Wissenschaft der Informatik selbst Computer ausgesprochen intensiv, um auf diesen die eigenen Erkenntnisse untersuchen und verifizieren zu können. Der Computer ist quasi das Labor, neben Kopf, Papier und Bleistift. In der Informatik ist der Computer nur ein Werkzeug und nicht das Forschungsobjekt selbst.

Auch wenn beim Arbeiten mit Computern permanent die Erkenntnissen der Informatik, bzw. die Ergebnisse deren technischen Realisierung, genutzt werden, hilft die Wissenschaft der Informatik im Alltag bei der praktischen Problemlösung im Allgemeinen recht wenig. Die realen Probleme sind eine Folge der Umsetzung durch Technologieunternehmen. Nur im Gegensatz zu Teleskopen sind Computer im Alltag omnipräsent und mit ihnen auch die spezifischen Probleme. Es braucht im Alltag als weniger Informatiker*innen, sondern wir mehr Computerhilfsdienste. Die Menschen brauchen im Alltag praktische Hilfe dringender, als grundlegende, wissenschaftliche Erkenntnisse und so ist es mehr als naheliegend und verständlich, dass jede potentielle Expertise herangezogen wird.

Wenn aus diesem Sachverhalt Einsichten gefunden worden sind, dann sind es die, dass es zu viele Probleme und Unklarheiten beim Arbeiten mit Computern in der Praxis gibt und dass zu wenig Unterstützung bei diesen Problemen adäquat zugängliche ist. Beides sollte ins Zentrum des Fokus bei der Weiterentwicklung dieser Maschinen rücken.

In den letzten Jahren wurden während unzähliger Hilfseinsätze bei Computerproblemen immer wieder die gleichen Beobachtungen gemacht. Aus diesen Beobachtungen sind dann irgendwann einmal grobe Thesen entstanden, die sich im Laufe der Zeit verfeinert und angesammelt haben. Dies ist der Versuch, die Thesen auszuformulieren, sie zu veröffentlichen und hoffentlich diskutieren zu können. Vielleicht besteht das Bedürfnis die eine oder andere Beobachtung bzw. Erfahrung ebenfalls zu teilen und an Lösungsperspektiven gemeinsam zu arbeiten.

95 Thesen zur aktuellen Computerwelt

Alle Thesen werden kontinuierlich verschriftlicht und auf in einem seperaten Bereich dieser Website veröffentlich. Bis zur vollständigen Formulierung aller 95 Thesen wird es noch ein bisschen Zeit brauchen, aber die Liste wächst ständig. Sie finden alle bisher veröffentlichten Thesen oben rechts im Hauptmenü, bzw. hier durch Benutzung des folgenden Links.

Über den Autor

Johannes Strodl

Johannes Strodl

Position

Ewig auf der Suche ist Johannes Strodl immer noch dabei herauszufinden, wer er ist. Im beruflichen Alltag bezeichnet er sich als Informatiker – schließlich sitzt er den lieben, langen Tag lang vor dem Computer und führt seit vielen Jahren begeistert IT-Projekte durch. In Wahrheit jedoch ist er vermutlich der kindlichen Warum-Phase nicht entwachsen und hat nie aufgehört neugierig zu sein. In der tiefen Überzeugung, dass alles in dieser Welt interessant ist und es unabdingbar ist, immerzu aufs Neue Fragen zu stellen, ist dieser Weblog wohl eine Mischung aus der Weitergabe jener Dinge, die sich auf dem Weg bereits entdecken ließen und einer Selbstfindung. Letztendlich sind die Rollen des Lernenden und des Lehrenden austauschbar und ununterscheidbar. Beruflich betreibt er eine eigene Website unter https://johannesstrodl.com.

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